Der Junior ist jetzt Chef
Matthias Steinke, 21.05.2025- # nachfolge
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Kollaborative Führung in der Unternehmensnachfolge
Die Unternehmensnachfolge durch die eigenen Kinder bringt neben strategischen und wirtschaftlichen auch psychologische und zwischenmenschliche Herausforderungen mit sich. Viele Nachfolger:innen erleben eine Phase der Überforderung, die durch das Bild, alles allein stemmen zu müssen, noch verstärkt wird. Diese Vorstellung führt nicht selten zu Isolation und Fehlentscheidungen. Kollaborative Führung mit geteilter Verantwortung kann dem entgegenwirken – auch wenn Eigentum und Letztverantwortung bei einer Einzelperson verbleiben.
Die Unternehmensnachfolge durch die eigenen Kinder ist eine klassische Form der Unternehmensübergabe. Diese Form der Nachfolge ist jedoch mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. Der/die neue Geschäftsführer:in sieht sich nicht nur mit betriebswirtschaftlichen und strategischen Herausforderungen konfrontiert, sondern auch mit zwischenmenschlichen, kulturellen und psychologischen Hürden.
Viele Nachfolger:innen erleben nach der offiziellen Übergabe eine Phase der Überforderung – nicht nur durch die wirtschaftliche und strategische Verantwortung, sondern auch durch das Gefühl, alles allein bewältigen zu müssen. Wenig hilfreich ist dabei das immer noch verbreitete Bild des „heroischen Unternehmers“, der schnelle Entscheidungen treffen, Probleme selbst lösen und das Unternehmen eigenständig in die Zukunft führen muss.
Aber Führung, die ausschließlich auf die eigene Person ausgerichtet ist, birgt die Gefahr der Isolation, von Fehlentscheidungen und hoher persönlicher Belastung oder Überforderung. Eine Lösung kann in der Gestaltung kollaborativer Führung liegen, die auf gemeinschaftlicher Entscheidungsfindung, geteilter Verantwortung und partizipativen Strukturen beruht. Dies funktioniert auch dann, wenn Eigentum, Letztentscheidungen und unternehmerische Verantwortung (z.B. Haftung) weiter bei der Einzelperson liegen.
Die potenzielle Überforderung des Juniors – Führung als geteilte Verantwortung
Die neue Rolle als Entscheidungsträger ist für viele Nachfolger eine enorme Belastung. Plötzlich trägt der Junior die Verantwortung für den Betrieb, die Mitarbeitenden und die Zukunft des Unternehmens. Gleichzeitig spürt er den Druck, das Lebenswerk des Vorgängers fortzuführen. Statt diese Verantwortung allein zu tragen, kann eine kollaborative Führungsstruktur helfen, die Lasten zu verteilen. Ein starkes Führungsteam, das Kompetenzen bündelt, reduziert Überforderungen und fördert eine nachhaltige Entwicklung. Zudem kann das Führungskollektiv Antworten oder Lösungen finden, die dem Einzelnen nicht erkennbar sind. Regelmäßige Reflexionsräume und der strukturierte Austausch mit Mitarbeitenden können helfen, die eigene Rolle klarer zu definieren und gemeinsam Strategien zu entwickeln. Letzteres hat den zusätzlichen Vorteil, dass gemeinschaftlich getroffene Entscheidungen auch eher von allen getragen werden.
Mangelnde Erfahrung und Kompetenz – Lernen durch Zusammenarbeit
Unternehmertum ist eine praktische Disziplin, die durch Erfahrung erworben wird. Eine kollaborative Führung ermöglicht es dem Junior, von den Fähigkeiten und dem Wissen erfahrener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu profitieren. Anstatt einsame Entscheidungen zu treffen, kann er sich aktiv mit anderen Führungskräften beraten und Entscheidungsprozesse im Team organisieren. Gemeinsame Lernprozesse und ein kontinuierlicher Wissensaustausch sorgen dafür, dass sich unternehmerische Fähigkeiten beim Junior schneller entwickeln und das Unternehmen von der wachsenden kollektiven Intelligenz profitiert. Zugleich hilft dieses Vorgehen, den Mitarbeitenden das Gefühl zu geben, weiterhin gebraucht zu werden, ihre Erfahrung einbringen und so zum Erfolg des Unternehmens auch weiterhin beitragen zu können.
Führung und Autorität – Vertrauen durch Partizipation
Nicht selten versucht der Junior die eigenen Ängste oder Unsicherheiten durch einen besonders autoritären Führungsstil zu überspielen. Statt Autorität durch seine Position in der Hierarchie zu erlangen, kann der Junior in kollaborativen Strukturen aber viel leichter Vertrauen und Akzeptanz gewinnen. Die eigenen Unsicherheiten oder Kompetenzlücken offen zu kommunizieren erfordert Mut und Vertrauen. Diesen Mut zu finden erfordert die Haltung, die eigenen Defizite nicht als Schwäche zu verstehen, sondern als Einladung für die Mitarbeitenden, Mitverantwortung zu übernehmen. Ihre aktive Einbindung etwa in Entscheidungsprozesse erhöht die Identifikation mit dem Unternehmen. Eine offene Kommunikationskultur, die auf Feedback und gemeinsamer Entscheidungsfindung basiert, sorgt für eine von allen getragene Führung. Dies macht das Unternehmen langfristig widerstandsfähiger und flexibler gegenüber Herausforderungen.
Veränderungsdruck vs. Bewahrung der Unternehmenskultur
Der Junior steht vor der Herausforderung, das Unternehmen weiterzuentwickeln, ohne bewährte Strukturen und Werte zu zerstören. Das Vermächtnis des oder der Vorgänger wiegt schwer, alte Seilschaften und generell die Pfadabhängigkeit, die sich aus der gelebten Organisationsgeschichte ergibt, können den Glauben an die eigene Gestaltungsfähigkeit schnell Grenzen setzen. Auch hier kann eine gemeinschaftliche Strategieentwicklung helfen, Wandel und Tradition in Einklang zu bringen. Das aktive Einbinden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Transformationsprozesse hilft Widerstände abzubauen, Innovationen zu fördern und das Bewahrenswerte zu erhalten. Gemeinsame Workshops, offene Diskussionsformate und agile Entscheidungsprozesse tragen dazu bei, dass Veränderungen als Chance wahrgenommen werden.
Eigene Identität als kollaborativer Unternehmer finden
Selbstwirksamkeit ist eine entscheidende unternehmerische Fähigkeit. „Ich kriege das hin“, ist das immer noch gültige Credo des Unternehmers. Aber dieses Glaubensbekenntnis steht in der VUKA-Welt des 21. Jahrhunderts ständig auf dem Prüfstand. Der Glaube an die eigenen Fähigkeiten reicht oft nicht hin, die volatilen, unsicheren, komplexen und ambigen Herausforderungen zu meistern, die sich Unternehmern täglich und immer wieder neu stellen. Auch hier kann ein Perspektivwechsel beim Junior Wunder bewirken. Versteht er seinen unternehmerischen Auftrag als ein „Wir kriegen das hin“, wird sich die unternehmerische Identität eher auf das Ermöglichen wertschöpfender Zusammenarbeit ausrichten und Kollaboration und Teamarbeit in den Fokus rücken. Das schützt zwar nicht vor Fehlern, aber minimiert zumeist das Risiko.
Persönliche Work-Life-Balance und Stressmanagement
Die Verantwortung als Unternehmensnachfolger kann eine große Belastung darstellen. Durch kollaborative Führung kann Verantwortung jedoch auf mehrere Schultern verteilt werden. Eine klare Rollendefinition, die zielorientierte Delegation von Aufgaben und eine vertrauensvolle Führungskultur können helfen, Stress zu reduzieren und nachhaltige Arbeitsweisen zu fördern. Der Austausch mit anderen Führungskräften in der kollegialen Beratung, sowie die externe Begleitung durch Coaches oder Berater können ebenfalls dazu beitragen, Belastungen zu reduzieren und langfristig erfolgreich und gesund zu bleiben.
Erfolgreiche – kollaborative – Nachfolge kann gelernt werden
Wir bieten Beratung und Begleitung bei der Umsetzung von kollaborativer Governance an und helfen Führungskräften dabei, Unternehmensnachfolgen erfolgreich zu gestalten. Unser Kollaboratorium dient vornehmlich der Entwicklung von Mitarbeitenden als designierte Nachfolger:innen.
Im Kollaboratorium lernen Nachfolger, Verantwortung im Führungsteam oder in der Organisation zu verteilen, Entscheidungsprozesse kollaborativ zu gestalten und Vertrauen in sich und ihre Mitarbeitenden aufzubauen. Durch den Austausch mit anderen Führungspersönlichkeiten, Peer-Coaching und begleitete Reflexion entwickeln sie tragfähige, gemeinschaftliche Führungsweisen, die nicht nur sie selbst entlasten, sondern auch das Unternehmen langfristig stärken.
Ergänzend unterstützen wir durch individuelle Beratung und Coaching, um persönliche Herausforderungen gezielt anzugehen, den eigenen Führungsstil weiterzuentwickeln und eine effiziente Balance zwischen Steuerung und Delegation zu finden. So wird die Nachfolge nicht zur einsamen Last, sondern zu einem Prozess der geteilten Verantwortung und unternehmerischen Weiterentwicklung.