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Jeder kann Unternehmer, oder?

Matthias Steinke, 12.02.2025
  • # unternehmer
  • # lernen
  • # kollaboratorium

Angesichts der Nachfolgelücke, die bereits jetzt schon virulent wird, brauchen wir mehr Menschen, die bereit sind, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen. Wie man Unternehmertum lernen kann, erfahren Sie in diesem Artikel von Matthias Steinke.

In vielen Unternehmen wird zunehmend mehr Verantwortungsübernahme und unternehmerisches Denken und Handeln von Mitarbeitenden gefordert. Dies geschieht hauptsächlich aus zwei Gründen: Einerseits sehen sich Führungskräfte zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert, die sie nicht mehr allein bewältigen können, was zu einer Verteilung von Verantwortung führt. Andererseits stehen in Unternehmen immer wieder Transformationen an, die es notwendig machen, dass sich Mitarbeitende auf die Rolle der Unternehmer:innen vorbereiten und diese erlernen (etwa bei Mitarbeitendenbeteiligungen, Unternehmensnachfolgen oder Änderungen der Rechtsform).

Ein erfolgversprechender Weg, um diese Veränderung zu gestalten, ist der Abbau von Hierarchien und der Aufbau kollaborativer und partizipativer Arbeitsformen. Die Annahme, dass Personen, denen mehr Verantwortung übertragen wird, auch eher dazu bereit sind, diese zu übernehmen, trifft sowohl auf hierarchische Organisationen, als auch auf solche mit dezentraler Verantwortungsverteilung zu. Allerdings werden wir darlegen, dass „Dürfen“ und „Wollen“ allein nicht ausreichen, um aus Mitarbeitenden Unternehmer:innen zu machen.

Spielräume und Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme

Dürfen bedeutet, dass die Führungsebene bereit ist, Verantwortung abzugeben. Wollen bezieht sich auf die Bereitschaft der Mitarbeitenden, diese Verantwortung möglichst umfassend zu übernehmen. In vielen Organisationen wird diese Bereitschaft unter dem Stichwort der „Selbstorganisation“ implementiert und gefördert. Dabei handelt es sich in der Regel um die Übertragung von Aufgaben und Entscheidungen an funktional untergeordnete Organisationseinheiten, wie beispielsweise Teams, die in der Lage sind, eigenständig Problemlösungen zu erarbeiten und oft eine hohe Erfolgsquote aufweisen.

Problematisch im Hinblick auf das angestrebte Unternehmertum wird es, wenn Selbstorganisation nicht so ausgestaltet ist, dass auch unternehmerische Entscheidungen getroffen werden können. Mitarbeitende dürfen dann zwar operative Entscheidungen treffen, aber keine strategischen Weichenstellungen vornehmen. Sie fühlen sich nicht befugt, übergreifende wirtschaftliche Fragen zu adressieren und unternehmerisches Handeln bleibt außerhalb ihres Vorstellungshorizonts. So kann ein Team beispielsweise seine Effizienz steigern und gleichzeitig – betriebsblind – einen bedrohlichen Umsatzrückgang ignorieren.

Ein weiteres Hindernis liegt oft darin, dass viele Organisationen nach wie vor Fallback-Mechanismen oder Eskalationsstrukturen implementiert haben, die verhindern, dass Mitarbeitende tatsächlich „richtige“ Verantwortung übernehmen. Solange Mitarbeitende wissen, dass Entscheidungen im Zweifel von höheren Führungsebenen revidiert oder übersteuert werden, kann sich kein echtes unternehmerisches Handeln entfalten. Erst wenn Mitarbeitende nicht nur dürfen, sondern auch müssen, weil keine höhere Instanz ihre Entscheidungen absichert, wächst tatsächlich unternehmerische Verantwortung.

Die dritte Dimension: Können

Diese Einsicht wird dann mission critical, wenn Mitarbeitende nicht nur eine unternehmerische Haltung einnehmen sollen, sondern tatsächlich Unternehmer:innen werden. Speziell bei Unternehmens- oder Führungsnachfolgen findet die Verantwortungsübernahme ohne Netz und doppelten Boden statt. Die Mitarbeitenden sind nun selbst Unternehmer:innen und spätestens jetzt gesellt sich noch eine dritte Dimension dem Dürfen und Wollen hinzu: das Können, also die Kompetenzen und Fähigkeiten, die für unternehmerisches Denken und Handeln erforderlich sind.

Unternehmertum ist ein komplexes Konstrukt, das weit über die bloße Gründung, Übernahme oder Führung eines eigenen Unternehmens hinausgeht. Es zeichnet sich durch eine spezifische Denkweise und Eigeninitiative aus, die mit einem hohen Maß an Verantwortungsbewusstsein und Risikobereitschaft einhergeht. Speziell in kollektiv geführten Unternehmen sind neben dem persönlichen Mindset auch strukturelle Rahmenbedingungen von Bedeutung, die erfolgreiches Unternehmertum ermöglichen.

Im Folgenden stellen wir die aus unserer Sicht wichtigsten Kompetenzen des Unternehmertums dar.

Welche Kompetenzen brauche ich als Unternehmer:in?

Für Unternehmer:innen ist strategisches Denken von essenzieller Bedeutung, um über den Tellerrand hinauszuschauen, Märkte zu analysieren, Trends zu antizipieren und fundierte Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Wesentlich ist dabei die Fähigkeit, Risiken realistisch einzuschätzen und kalkulierte Wagnisse einzugehen, was sich in der Praxis oft als Herausforderung darstellt. Unternehmer:innen sehen sich kontinuierlich mit Dilemmata oder Paradoxien konfrontiert, bei denen sie aus mehreren Alternativen die am wenigsten nachteilige auswählen oder widersprüchliche, aber sinnvolle Alternativen simultan entscheiden müssen. Ein Beispiel ist das gleichzeitige Empowerment und die Kontrolle der Mitarbeitenden. Diese müssen betreut und zugleich als „Ressourcen“ behandelt werden, die es zu nutzen gilt. Oder der Unternehmer muss Innovation und Wandel fördern und gleichzeitig eine stabile Kultur des Zusammenhalts schaffen oder erhalten.

Ein weiterer zentraler Aspekt ist die wirtschaftliche und rechtliche Kompetenz. Die Fähigkeit, finanzielle Zusammenhänge zu verstehen, wirtschaftliche Indikatoren zu erkennen und Budgets zu planen, Investitionen zu tätigen sowie finanzielle Risiken zu bewerten, ist für unternehmerisch agierende Personen essenziell. Darüber hinaus sind rechtliche und steuerliche Kompetenzen von grundlegender Bedeutung, um etwa Haftungsrisiken zu minimieren, Verträge korrekt zu gestalten und steuerliche Optimierungen zu nutzen. Ohne solide Kenntnisse in den Bereichen Finanzen, Recht und Steuern ist die Ausübung unternehmerischer Tätigkeiten mit einem hohen Risiko verbunden.

Weiterhin sind Kommunikation und Führung wesentliche Kompetenzen der Unternehmerin. Sie muss in der Lage sein, ihr Team für eine gemeinsame Vision zu begeistern, Stakeholder zu überzeugen und Kund:innen zu gewinnen. Die Fähigkeit, Konflikte zu lösen und Dissens konstruktiv zu nutzen, ist in vielen Kontexten hilfreich, etwa um neue Lösungsansätze hervorzubringen oder gemeinschaftlich getragene Entscheidungen zu treffen. Führung umfasst die zielgerichtete Steuerung von Interaktionen, die bedarfsgerechte Delegation von Aufgaben sowie die Sicherstellung der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Mitarbeitenden. Eine gute Führungskraft schafft zudem Klarheit in den Rollen und Verantwortlichkeiten, sichert die Performance des Teams, kontrolliert Ergebnisse und sorgt für eine ausgewogene Balance zwischen Veränderung und Stabilität. All diese Elemente sind von entscheidender Bedeutung, um nicht nur kurzfristig erfolgreich zu sein, sondern auch eine nachhaltige, produktive und motivierte Unternehmenskultur zu etablieren.

Schließlich ist Resilienz ein entscheidender Faktor für unternehmerischen Erfolg. Unternehmertum ist geprägt von Unsicherheiten, Rückschlägen und unerwarteten Herausforderungen. Eine hohe Frustrationstoleranz, die Fähigkeit zur Selbstreflexion und die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen, sind daher unerlässlich.

Die genannten Kompetenzen sind das Handwerkszeug der Unternehmerin. Sie ermöglichen es, Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens zu übernehmen. Wirtschaftlichkeit ist dabei als Synonym für die langfristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu verstehen, was somit auch für Non-Profit-Unternehmen gilt.

Was ist der beste Weg, Unternehmertum zu lernen?

Unternehmertum ist keine Theorie, sondern Praxis. Es lässt sich nicht allein durch Bücher oder Trainings erlernen, sondern nur durch das aktive Handeln und das Sammeln eigener Erfahrungen. Wer Unternehmer:in werden will, muss Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen und mit den Konsequenzen leben. Der beste Weg, um Unternehmertum zu erlernen, ist daher, unternehmerische Erfahrungen zu sammeln.

Mentor:innen und Lernnetzwerke spielen ebenfalls eine zentrale Rolle. Der offene Austausch mit erfahrenen Unternehmer:innen ermöglicht es, aus deren Fehlern und Erfolgen zu lernen. Im Rahmen von Unternehmensnachfolgen können die übergebenden Unternehmer:innen auf diese Weise sogar sicherstellen, dass die eigenen Werte und Vorstellungen von den Nachfolgenden weitergeführt werden. Zudem bieten kollaborative Lernnetzwerke Unterstützung in Form von Wissen, Ressourcen und Perspektiven, die den eigenen Horizont erweitern. Der Austausch mit einer Peer Group kann dazu beitragen, Unsicherheiten abzubauen, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen oder Verantwortung zu teilen.

Die Bereitschaft zur Veränderung, gepaart mit dem Erwerb der notwendigen Kompetenzen, ist der entscheidende Faktor, der den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmacht. Wer den Schritt vom Arbeitnehmer zum Unternehmer machen will, muss bereit sein, alte Denkmuster abzulegen, Unsicherheiten zu akzeptieren und kontinuierlich zu lernen. Denn Unternehmertum ist kein Zustand, sondern ein dynamischer Prozess, der ständiges Wachstum und Anpassungsfähigkeit erfordert.

Das Kollaboratorium

Die BECHLER Kollaborationsberatung begleitet täglich Menschen in komplexen unternehmerischen Transformationsprozessen wie z.B. bei Unternehmensnachfolgen oder Mitarbeiterbeteiligungen. Dabei geht es regelmäßig auch um Kompetenz- oder Wissensfragen im Hinblick auf Unternehmertum, egal ob eine Gruppe von Führungskräften im Rahmen eines Management-Buyouts zu Gesellschaftern des Unternehmens wird, cross-funktionale Teams durch Entscheidungskonflikte handlungsunfähig werden oder die neue Geschäftsführerin feststellen muss, dass seit ihrem Antritt die Personalfluktuation deutlich zugenommen hat oder sich Mitarbeitende vermehrt ins Burnout verabschieden. Wie aus dem bisher Gesagten hoffentlich hinreichend klar geworden ist: Unternehmertum ist eine Kompetenz. Diese Kompetenz vermitteln wir in unserem Kollaboratorium.

Das Kollaboratorium ist ein Labor für die Entwicklung unternehmerischen Denkens und Handelns. Es richtet sich zum einen an Mitarbeitende und Führungskräfte, die neue Rollen und Verantwortlichkeiten übernehmen und die punktuell die dafür nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben oder auffrischen wollen. Zum anderen ist es ein umfassendes, auf die Bedürfnisse Ihrer Organisation angepasstes Curriculum für die Transformation vom Arbeitnehmer zum Unternehmer, das die oben aufgeführten Kompetenzen nachhaltig vermittelt.

Dieses Curriculum gliedert sich in verschiedene Kompetenzfelder, die die Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten ganzheitlich unterstützen und dabei die Selbstlernkompetenz fördern. Die Lernprogression folgt dem Schema:

  • Must-have: Grundlegende Kompetenzen, die als Basis für unternehmerisches Handeln notwendig sind.

  • Should-have: Aufbauende Fähigkeiten, die für eine tiefere unternehmerische Kompetenz sorgen.

  • Nice-to-have: Fortgeschrittene Fähigkeiten für eine strategische, transformative und nachhaltige unternehmerische Praxis.

Das Kollaboratorium basiert auf der parallelen Vermittlung und Anwendung unternehmerischer Kompetenzen anhand realer Unternehmensfragestellungen. Jede Lerneinheit beginnt mit einem Lernauftrag, der aus einer konkreten Problemstellung oder Herausforderung der Teilnehmenden entsteht. Darauf aufbauend werden notwendige Kompetenzen vermittelt und direkt in der Unternehmensrealität, also am „lebenden Objekt“ erprobt und angewendet.

Die Didaktik umfasst:

  • Frontalunterricht zur theoretischen Aufbereitung essenzieller Themen.

  • Gruppenübungen zur praktischen Vertiefung und experimentellen Erprobung von Methoden.

  • Selbstlernen durch Lektüre, Videos, Fragebögen und Übungen.

  • Peer Coaching zur Reflexion und Bearbeitung realer Problemstellungen.

  • Arbeiten in der Unternehmensrealität, teilweise supervidiert, um direktes Lernen und Feedback zu ermöglichen.

Für detaillierte Informationen zum Kollaboratorium und wie wir Ihre Mitarbeitenden auf dem Weg zum Unternehmertum begleiten, schauen Sie sich gerne unser Angebot an und vereinbaren Sie ein unverbindliches Beratungsgespräch.

P.S.

Verantwortung in einer Organisation bedeutet nicht nur, dass man will, darf und kann – sondern auch, dass man muss. Wer Entscheidungen trifft, haftet für deren Konsequenzen. Doch wie lässt sich diese Haftung in einer Weise ausgestalten, die Eigenverantwortung stärkt, ohne von lähmendem Micromanagement ausgebremst zu werden? Besonders in Unternehmen, in denen klassische Hierarchien fehlen, stellt sich die Frage: Wer trägt welche Verantwortung in welchem Umfang – und mit welchen rechtlichen Folgen?

Genau darum geht es in unserem nächsten Blogbeitrag: »Selbstorganisation, Superstrukturen und wer haftet?«